Ein letztes Mal verlässt Huy P. an diesem Freitag das Dresdner Landgericht mit Handfesseln. Aber er kann wieder ein wenig lächeln. Übers Wochenende solle er seine Sachen packen, hatte ihm die Richterin Birgit Wiegand gesagt. Am Montag werde er die geschlossene Abteilung des Psychiatrischen Krankenhauses Rodewisch verlassen und in eine Wohnstätte im Erzgebirge umziehen – ohne Handfesseln und Polizei.
Es wird Huys erster Schritt in die Freiheit sein nach einem der schwersten Justizirrtümer in Sachsen. Im August 1993 hatte Huy zwei Landsleute erschossen, weil er glaubte, seine Opfer wollten Schutzgeld von ihm – ein Doppelmord im Verfolgungswahn. Doch damals erkannten die Richter nicht, das Huy seelisch krank und nicht schuldfähig war. Sie schickten ihn lebenslänglich ins Gefängnis, statt in den Maßregelvollzug, wo er behandelt worden wäre.
So saß Huy, der als einer der letzten Gastarbeiter in die DDR gekommen war, seine Zeit im Bautzner Gefängnis ab. 1996 häuften sich paranoide Anfälle, Huy erkannte selbst, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Anstaltspsychologen stellten erstmals eine Erkrankung fest und gaben ihm Tabletten. Auch später blieb eine Therapie aus.
Erst 2009, als nach 15 Jahren zu prüfen war, ob Huy weiter in Haft bleiben musste, erkannten psychiatrische Sachverständige, dass der inzwischen 40-Jährige ein Fall für das Krankenhaus und nicht für das Gefängnis ist. Bei ordnungsgemäßer sachverständiger Beratung hätte das schon 1993 und erst recht 1996 erkannt werden müssen, so einer der Gutachter. Doch die Bautzner Richter lehnten es ab, die Strafe auszusetzen, weil die Experten nicht voraussagen konnten, ob von Huy Gefahr ausgehen würde, wenn er freikommt. …Auch die Dresdner Richter sprachen am Freitag von schweren Fehlern und Versäumnissen. …