Kölner Polizeiskandal, Polizeiopfer Stefan Neisius, 2002
…1990, im Alter von 18 Jahren wurde bei Neisius eine schizoide Psychose diagnostiziert. Er floh aus der Psychiatrie und unternahm mit einem Sprung aus dem 7 Stock einen Suizidversuch, den er verletzt überlebte. Wegen der Verletzungen konnte Neisius seine Ausbildung zum Tischler nicht beenden, war arbeitsunfähig und auf Sozialhilfe angewiesen.
… weshalb er und seine Mutter am 11. Mai 2002 in Streit gerieten. Eine Nachbarin, die sich Sorgen um die Mutter machte, rief wegen Ruhestörung die Polizei, die gegen 22 Uhr mit vier Beamten vor Ort eintrafen. Stephan Neisius zerschlug in dieser Zeit mit einem Hockeyschläger Glastüren. Nach Angaben des Spiegels hatte er “[…] an dem Abend Drogen genommen.”
Nach Angaben des Kölner Stadtanzeigers “habe man von der Mutter längere Zeit nichts gehört” als die Polizisten baten die Türe zu öffnen. Stephan Neisius weigerte sich und gab an, die Mütter läge im Bett. Seine Mutter sagte später vor Gericht bezüglich dieser Weigerung: “‘Ich sah auch nicht ein, was die Polizei sollte […]. Der Streit war längst vorbei.'”
Die vier Beamten brachen die Türe auf und stürmten auf Stephan Neisius, unter Einsatz von Pfefferspray, das offenbar keine Wirkung zeigte, zu. Die Mutter sagte den Polizisten, dass ihr Sohn krank sei, was aber nicht beachtet wurde.
Stephan Neisius wurde zu Boden geworfen und an Armen und Händen gefesselt, wobei er zuvor Polizisten gebissen haben soll, und sich später mit Schlägen und Tritten wehrte. Zudem soll er einen Hammer geworfen haben. Auf der Treppe vom fünften Stock nach draußen “entgleitet” der 1,70m große und 100kg schwere Neisius den Polizisten “[…] bis zu sechs mal […]” wegen dessen Gegenwehr. Ein Polizist, der sich in der Wohnung geschnitten hatte, wurde von einem Rettungssanitäter versorgt.
“In den Funkprotokollen wird Stephan Neisius als ‘Irrer’ beschrieben, der sich wie von Sinnen aufführt und wirre Sachen wie ‘Ich bin Jesus’ schreit.” Auf der Fahrt zur Wache soll Neisius von dem Polizeimeister Lars S. geschlagen worden sein. Auf der Polizeiwache Eigelstein angekommen wird er in eine Zelle gebracht. Zwei Polizisten, die Zeugen der weiteren Geschehnisse wurden, berichteten “‘Wehrlos, gefesselt an Händen und Füßen, wurde das Opfer von mehreren Beamten geschlagen und getreten’ […].
‘Sie schleiften ihn an den Füßen in eine Zelle, prügelten weiter auf ihn ein’.
Die Tageszeitung schreibt: “Wenig später liegt er in einer Blutlache.”
Der Wachdienstleiter Günter K. rief anschließend einen Rettungswagen, der Neisius ins St. Marien-Hospital Köln brachte. Als man dort Neisius Blut abnehmen wollte, erlitt er einen Herzstillstand, wurde reanimiert, fiel ins Koma und verstarb im Uniklinik Köln nach Angaben der Staatsanwaltschaft am 24. Mai 2002.
Ein Gutachten kam zu dem Ergebnis “Todesursache sei ein durch Herzstillstand hervorgerufenes Hirnödem.” Ein weiteres Gutachten schlussfolgerte, dass “‘polizeiliche Zwangsmaßnahmen mitursächlich für den Tod’ […] gewesen sein könnten.”
Die Behandlung durch das Krankenhaus wurde vom Richter als “nicht sachgerecht” kritisiert; ebenso vom Gutachter. An Neisius’ Körper stellen Ärzte Hämatome fest, sowie einen Schuhsohlenabdruck im Gesicht.
Gegen fünf der Beamten war bereits früher wegen des Verdacht der Körperverletzung im Amt ermittelt worden.
“Ein Beamter und eine Beamtin” waren Zeugen der Schläge und Tritte, berichten am nächsten Tag ihrem Vorgesetzten davon und zeigten ihre Kollegen an.
Gegen die beiden Polizisten wurde wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt. Über den 32 jährigen Polizist Alexander G. wurde erzählt, dass er selbst auch zugeschlagen haben soll.
An den Aussagen der Kronzeugen gab es Zweifel, bspw. soll sich einer der Zeugen in einem Nebenraum befunden haben und die Schläge nicht gesehen haben können.
Das Gericht zweifelte nicht an der Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen, sie seien “‘differenziert wie detailreich'” gewesen. “Laut Zeugenaussage eines Passanten soll [Neisius] auch schon bei seiner Festnahme und der Überführung im Streifenwagen auf die Wache durch mehrere Beamte malträtiert worden sein.”
Zwei Zeugen berichten von Schlägen ins Gesicht während der Überführung von der Wohnung in den Polizeiwagen. Der Polizist, der wegen seiner Schnittverletzung nicht auf der Wache war, soll von einem der Polizisten (Matthias L.) mitgeteilt bekommen haben, dass sie ihn “gerächt” haben. …