Offenbarungseid der Strafjustiz: Ein Dessauer Richter packt aus, “Meine Karriere hat sich damit erledigt”, 11.11.2018

Dr. Patrick Burow: Justiz am Abgrund, Ein Richter klagt an. www.tagesschau24.de

Dr. Patrick Burow: … “Das kann ich schon verstehen auch im Bereich der Alltagskriminalität. Da hat ja eigentlich der Rechtsstaat aufgegeben. Nehmen Sie das Beispiel Ihnen wird das Fahrrad gestohlen, das Auto oder es wir in ihre Wohnung eingebrochen. Da denkt man immer, wenn man anruft bei der Polizei, jetzt steigt Schimanski ins Auto und kommt mit Blaulicht und klärt das auf.
In Wirklichkeit sagen die Ihnen, kommen Sie mal auf die Polizei, Sie kriegen dann eine Bestätigung für die Versicherung und die Akten, die ich dann immer sehe, die haben 3 Seiten. Die Strafanzeige, Blatt 2 ist ein Formblatt, dass man umfangreich ermittelt aber keinen Täter festgestellt hat und Blatt 3 ist die Einstellungsverfügung an den Betroffenen.”
…”Bei Einbruchsdiebstählen ist die Aufklärungsquote 15%, dass heißt in 85% wird kein Täter ermittelt was auch kein Wunder ist, wenn man gar keine Ermittlungen tätigt und die Verurteilungsquote ist 2,6%.”
“Es sind alle Personalebenen überlastet. Das fängt bei der Staatsanwaltschaft an. Die stellen ein Drittel der Verfahren schlicht ein, weil sie keine Zeit haben Anklage zu schreiben. Die Richter sind überlastet aber auch der gesamte Unterbau. Es gibt immer weniger Wachtmeister, Protokollanten in den Geschäftsstellen. Es wird aber auch erwartet, dass der Richter ganz vieles selbst macht was er früher nicht machte.
Das er seine Urteile und Beschlüsse selber schreibt. Das er in der Verhandlung selber Protokoll führt.”

dVb: “Sie waren auch als Bußgeldrichter tätig. Das ist ja auch ein Kapitel in Ihrem Buch und Sie sagen, da sind Sie nur noch Fabrikarbeiter des Rechts.”

Dr. Patrick Burow: “Da habe ich im Schnitt 39 Minuten pro Fall. Das reicht nie und nimmer aus. Heute sind die Leute kämpferisch und treten oft mit Anwälten an und sind Rechtsschutzversichert und da ist mit 39 Minuten mal gerade die Terminsvorbereitung mit abgedeckt. Dann kommt noch die Verhandlung mit ein oder zwei Sachverständigen. Dann muss man das Urteil absetzen und man muss sich dann auch damit retten, dass man Schwerpunkte setzt, bei Rotlichtsündern, massive Geschwindigkeitsüberschreitungen, Alkohol und das man dann kleinere Sachen wie Verkehrsunfälle oder falsch Parken, ja da stelle ich halt ein, da mache ich gar nichts.”

dVb: “Sie sagen aber schon im Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten werden Bussgelder gnadenlos verfolgt.”

Dr. Patrick Burow: “Wenn Sie die ganze Härte des Rechtsstaats erleben wollen, dann müssen Sie einfach nur das Gaspedal mal durchdrücken und dann erleben sie den Rechtsstaat als gut geölte Maschine und es werden auch Bagatellen wirklich gnadenlos verfolgt und vollstreckt.  Das hat mich immer gewundert, mit welcher Verbissenheit das auch gemacht wird. Das geht dann bis zur Erzwingungshaft, wenn sie dann ihre 20 EUR Parkticket nicht zahlen, da müssen Sie dann für einen Tag in das Gefängnis. Da gibt es das Erzwingungshaftverfahren. Ein Haftplatz kostet am Tag 70-80 EUR. Das ist völliger Wahnsinn aber das wird so gemacht.
… Es wird deswegen so gemacht, weil sich diese Ordnungswidrigkeiten sehr gut verfolgen lassen. … und das zweite ist, es ist ein lohnendes Geschäft. 2014 gabs mal ne Statistik 860 Millionen Bussgeldeinnahmen Bundesweit. Nur Bussgelder, da sind die Verfahrensgelder noch nicht dabei, während Strafverfolgung ist ein Zuschussgeschäft.
Deswegen ist halt das Interesse der Justiz, möglichst viel Bussgeldverfahren, möglichst wenig Strafverfahren.”
“… Es gibt in Haftsachen eine 6 Monatsfrist innerhalb der muss die Hauptverhandlung durchgeführt und ein Urteil erlassen werden.  Das funktioniert oft nicht, weil die Verfahren oft schon sehr spät bei Gericht ankommen, weil die 6 Monatsfrist gilt auch für die Staatsanwaltschaft. Man setzt den Haftbefehl also ausser Vollzug und das passiert jeden Tag hundertfach in Deutschland.”

dVb: “Sie werden auch beurteilt auch von Vorgesetzten. Richter sind zwar unabhängig aber auch sie werden beurteilt, das dient dann der Karriereplanung im Gericht und sie schreiben es sind Erledigungszahlen, schlicht Erledigungszahlen.”

Dr. Patrick Burow: “Heute heißen die Erledigungszahlen, früher hießen die noch Zielkarten und schon als junge Richter haben wir schon gesagt, wir sind Zielkartenknechte. …Für die Qualität des Richters zählt ausschließlich die Statistik also die Erledigung. Das ist völlig egal wie Sie das machen, nur die Erledigung zählt.
Wenn Sie geringere Erledigungen haben und sagen, dafür sind meine Entscheidungen aber besonders Durchdacht und Hochwertig, da ernten Sie nur ein müdes lächeln.”
“… Ich war mal als Proberichter in einem Landgericht in einer Zivilkammer und der Vorsitzende hat im Fünfminutentakt terminiert. Die Anwälte konnten sich gar nicht einmal richtig hinsetzen, da war das eigentlich schon beendet und die Urteile sahen auch so aus. …Bei den Zielkarten war er der König und er ist auch befördert worden.”
“… Also wenn Sie jetzt bei mir im Büro anrufen, dann würde ich sie durchstellen zum Pressesprecher des Landgericht und der würde Ihnen ein paar salbungsvolle aber inhaltsleere Worte sagen.”

dVb: “Wer beurteilt Sie?”

Dr. Patrick Burow: “Der Landgerichtspräsident. Alle fünf Jahre wird man beurteilt und die Beurteilung steht auch jetzt an und ich hatte wegen dem Buch auch schon mal ein Personalgespräch und er war nicht amüsiert. Er fand das überhaupt nicht gut, se sei viel zu reisserisch und es würde insbesondere dem Ansehen der Justiz schaden. Er erwägt neben einer schlechteren Beurteilung an mich ein Schreibverbot zu verhängen. …Ja, meine Karriere hat sich damit erledigt.”

 

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