Herbertus Bikker war nach jahrzehntelangen Verzögerungen angeklagt worden, am 17. November 1944 in den Niederlanden den 27-jährigen Widerstandskämpfer Jan Houtman ermordet zu haben. Der Prozess musste aufgrund des Gesundheitszustands des inzwischen 88-jährigen Bikker mehrmals unterbrochen werden. Mehrere medizinische Gutachter hatten ihn aber für verhandlungsfähig erklärt.
In einem elften Gutachten, das dem Gericht vorgelegt wurde, hatte der Neurologe Bernd Roggenwallner den Angeklagten nun für verhandlungsunfähig erklärt, obwohl Bikker bisher selbständig seinen Haushalt führte und auch noch selbst Auto fuhr. Altersbedingte Krankheiten beeinträchtigten seine Konzentrations- und Merkfähigkeit. Deswegen könne er sich nicht selbst verteidigen und dem Prozessverlauf auch nicht mehr inhaltlich folgen.
Das Gericht begründete die Einstellung des Prozesses gestützt auf dieses letzte Gutachten damit, dass sich aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme und wichtiger Zeugenaussagen kein Freispruch abzeichne. Deshalb müsse das Verfahren abgebrochen werden. (Laut Begründung des Gerichts hätte die Verhandlung auch mit einem teilnahmeunfähigen Angeklagten fortgesetzt werden können, wenn sich ein Freispruch abgezeichnet hätte.) Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Angeklagten für seine Verteidigung gehen zu Lasten der Staatskasse.
So endet dieser Prozess wie so viele vergleichbare Prozesse gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher aus der Nazizeit vor bundesdeutschen Gerichten. Wenn es nach jahre- bzw. jahrzehntelanger Verschleppung überhaupt zur Strafverfolgung und Anklageerhebung kam, wurden die Verfahren meist nach kurzer Zeit wegen Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten aufgrund ihres hohen Alters eingestellt.
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Nun, schreibt Müller, “ließ sich der inzwischen 72jährige krankschreiben. Er litt – in seinem Alter nicht unüblich – an Koronarinsuffizienz und Kreislaufschwäche; der Oberarzt eines Hamburger Krankenhauses attestierte ihm daher eine nur,bedingte’ Verhandlungsfähigkeit, das heißt, man hätte die Verhandlung täglich mehrmals unterbrechen müssen. Die 7. Große Strafkammer des Hamburger Landgerichts befand jedoch, ein solches Prozessieren sei mit der Menschenwürde des Angeklagten nicht vereinbar, und stellte das Verfahren am 30. April 1974 entgültig ein.”
Das Verfahren gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Helmut Bischoff stellte das Oberlandesgericht Hamm am 26. Mai 1970 mit der Begründung ein, eine Verurteilung könnte der Gesundheit des verhandlungsfähigen Angeklagten schlecht bekommen. Das Gericht rechtfertigte die Verfahrenseinstellung kurz vor Ende der Hauptverhandlung mit den Worten, dass “dringender Grund zu der Annahme (bestand), dass dem Angeklagten… bei Fortsetzung der Hauptverhandlung der Vorwurf, sich des Mordes schuldig gemacht zu haben, in einer Form wird gemacht werden müssen, die die von dem Sachverständigen de Boor in seinem Gutachten prognostizierte exzessive Blutdrucksteigerung erwarten lässt”.
Später Prozess gegen ehemaligen SS-Mann Herbertus Bikker