Rechtsanwalt klagt gegen absurde Vermerke der Polizei, sueddeutsche Zeitung, 02.12.2015
Im Sommer berichtete die SZ darüber, dass im polizeilichen Kriminalaktennachweis (KAN) mehr als eine Millionen Personendaten gespeichert sind.
Darunter sind auch Daten von unbescholtenen Bürgern. Die Einträge bleiben stehen, wenn etwa eine Staatsanwaltschaft vergisst, die Einstellung eines Verfahrens an die Polizei zu melden.
Als ein Münchner Rechtsanwalt davon erfährt, forscht er über sich nach – und reicht Klage gegen die Polizei ein.
Viele Leute glauben, unbescholtene Bürger zu sein. Das dachte bisher auch der Münchner Rechtsanwalt Gerd Tersteegen. Als er in der SZ allerdings las, dass selbst über Landtagspräsidentin Barbara Stamm ein ominöser Vermerk über eine vermeintliche Straftat gespeichert sei, forschte der Experte für Verwaltungs- und Beamtenrecht in eigener Sache nach: “Gibt es im polizeilichen Kriminalaktennachweis auch Eintragungen über mich selbst?” Die Antwort des Polizeipräsidiums reichte, um sofort eine Klage einzureichen. Denn tatsächlich gab es in der Polizeiakte zwei Vermerke über Vorwürfe – teils absurd, teils falsch -, die nun sang- und klanglos gelöscht worden sind. Tersteegens Fazit: “Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.”
Barbara Stamm war 1991 wegen angeblicher Rechtsbeugung angezeigt worden. Haltlose Vorwürfe: Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen umgehend ein. Dennoch blieb die CSU-Politikerin damit jahrelang im Kriminalaktennachweis (KAN) gespeichert. …
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wikipedia:
Ein Kriminalaktennachweis (KAN) ist ein zentrales Verzeichnis der deutschen Polizei zur Erfassung und Verknüpfung von Einträgen in diversen anderen Karteien.
Der Kriminalaktennachweis ist grundsätzlich ein reines Aktennachweissystem, also ein Verzeichnis von Ermittlungsakten der deutschen Bundes- bzw. Landespolizeien, die über eine Person verfügbar sind. Alle wesentlichen Informationen über Strafverfahren bezüglich einer Person werden bei der Polizei in Kriminalakten gespeichert. Hinweise auf diese Kriminalakten stehen über Kriminalaktennachweise elektronisch den einzelnen Landespolizeien, dem BKA und allen Behörden mit Zugriff auf INPOL-KAN zur Verfügung.
KAN ermöglicht den Zugriff auf papierne Unterlagen, darf aber auch einige Fallgrunddaten enthalten, aus denen sich ein Überblick über die inhaltlichen Vorwürfe gegen die betroffene Person ergibt.
INPOL-KAN ist bundesweit zugänglich und es dürfen lediglich Taten gespeichert werden, die von länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung sind.
Im Zusammenhang mit der Einführung von INPOL-neu wird die Polizei den INPOL-KAN auf alle sonstigen Taten einer Person erweitern, die bereits mit einer INPOL-relevanten Tat gespeichert sind. Datenschutzbeauftragte halten diese Erweiterung allerdings für rechtswidrig.
Bundeskriminalamt
Über den „Kriminalaktennachweis“ (KAN) hinaus gibt es beim BKA noch den BKA-Aktennachweis, ebenfalls mit Rechtsgrundlage § 8 BKAG mit folgendem Inhalt: „Nachweis von Kriminalakten, die im BKA aufgrund des kriminalpolizeilichen Meldedienstes oder Schriftverkehrs im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren, erkennungsdienstlichen Unterlagen, sonstigem polizeilich relevanten Schriftverkehr ange- legt werden, wenn sie nicht in der Datei Kriminalaktennachweis (KAN) gespeichert sind“.
Die Anordnung erfolgte am 29. Mai 1985, angeblich ohne Errichtungsanordnung. Stand 25. Juni 2009 waren hierin 2,2 Mio. Datensätze gespeichert.
Bundespolizei
Der Bundespolizeiaktennachweis (BAN) mit Rechtsgrundlage §§ 1 bis 7, 12, 29 BPolG und §§ 483 Abs. 3, 484 Abs. 4 StPO „dient dem Nachweis von personengebundenen Akten, deren Führung bei Dienststellen der Bundespolizei sowie für den grenzpolizeilichen Bereich bei den entsprechenden Stellen der beauftragten Polizeibehörden in den Ländern Bayern, Hamburg und Bremen, zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben, auf dem Gebiet der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr erforderlich ist“. Die Regel-Speicherfrist beträgt zwischen 2 und 5 Jahren. BAN geht zurück auf eine Anordnung vom 26. August 2004 und umfasst 273.000 Datensätze (Stand 25. Juni 2009
Bayern
Im bayerischen Kriminalaktennachweis sind derzeit 1,6 Millionen Datensätze von Personen gespeichert. Damit ist der KAN in Bayern die größte derartige Datei eines Bundeslandes. Rechtsgrundlage in Bayern für die Speicherung personenbezogener Daten im KAN ist der Artikel 54 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes.
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Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz (BayLfD)
Speicherung personenbezogener Daten durch die Polizei
Welche polizeilichen Dateien gibt es?
Die Polizei unterhält zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben eine Vielzahl unterschiedlicher Dateien. Von überregionaler Bedeutung ist hierbei das Informationssystem Polizei (INPOL). INPOL ist eine polizeiliche Datenbank, die für Bundes- und Länderpolizeien kriminalpolizeiliche Daten bereit hält. Wichtiger Bestandteil von INPOL ist der sogenannte “Kriminalaktennachweis” (KAN), der Angaben zu erkennungsdienstlichen Behandlungen, Haftdaten, Strafanzeigen und Beschreibungen auffällig gewordener Personen enthält. Ebenso wichtig für die alltägliche Arbeit der Bayerischen Polizei ist das sogenannte Integrationsverfahren Polizei (IGVP), welches vor allem der Vorgangsverwaltung beim jeweiligen Polizeiverband dient. Darin sind wesentliche Vorgänge dokumentiert, die bei der polizeilichen Arbeit anfallen.
Auf welche Dateien kann die Polizei zugreifen?
Zunächst kann die Polizei auf ihre eigenen Dateien (wie z.B. INPOL und IGPV) zugreifen. Daneben kann sie in bestimmten Fällen auch Inhalte aus den polizeilichen Dateien anderer Bundesländer oder des Bundes erhalten. Des Weiteren kann die Polizei unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen und Grenzen auch Informationen aus den Datenbeständen nichtpolizeilicher Behörden erhalten. Typisches Beispiel ist der Zugriff auf Einwohnermeldedateien.
Wohin kann ich mich wenden, wenn ich die Löschung meiner Daten beantragen will?
Für die Entscheidung über die Löschung der bei der Bayerischen Polizei gespeicherten personenbezogenen Daten ist die speichernde Stelle zunächst selbst zuständig ist. Sie können sich deshalb an das für Ihren Wohnsitz zuständige Polizeipräsidium oder an das Bayerische Landeskriminalamt wenden.
Sollte die Polizei Ihrem Auskunftsersuchen nach einer angemessenen Wartezeit nicht nachkommen oder sollten Sie mir nach einer Auskunftserteilung Anhaltspunkte dafür mitteilen können, dass der Tatverdacht gegen Sie entfallen ist, so können Sie sich gerne an mich wenden. In diesem Fall ist es hilfreich, wenn sie mir die Staatsanwaltschaft, die das Verfahren geführt hat, sowie das staatsanwaltschaftliche Aktenzeichen mitteilen.
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Polizeidatenbanken Wer reinkommt, bleibt drin, BR24, 02.07.2015
Einmal verdächtig, immer verdächtig? Die Bayerische Polizei pflegt eine ganze Reihe von Datenbanken. Im Visier der Datenschützer ist vor allem der sogenannte Kriminalaktennachweis. Denn dort rutscht man leicht rein, weiß im Zweifelsfall nichts davon und kommt dank Schwächen im System nur schwer wieder raus.
Die vielgerühmte “kriminalistische Erfahrung” hält doch diese Daten für erforderlich, um unschuldige Schwerstkriminelle auch nach über 20 Jahren noch identifizieren zu können und nötigenfalls mit Untersuchungshaft oder der vorläufigen Erschießung die Gesellschaft vor solchen Elementen zu schützen, oder habe ich da etwas falsch verstanden? Und da wagt es ein Rechtsanwalt, sich der Gerechtigkeit in den Weg zu stellen? Der kriegt jetzt einen Eintrag zusätzlich in der Renitenzdatei.