Das Strafbefehlsverfahren – Gerichte auf Autopilot?
Manchmal haben Strafverteidiger den Eindruck, daß Richter die Anträge der Staatsanwaltschaft, die sie auf den Tisch bekommen und unterschreiben, gar nicht richtig lesen. Nur äußern sollten sie diesen Verdacht – jedenfalls nach Meinung mancher bayerischer Juristen – nicht. Denn es kann ihnen passieren, daß sie dann wegen übler Nachrede angeklagt und verurteilt werden.
So geschehen durch Urteil des AG Würzburg vom 26. September 2012 – 103 Cs 701 Js 19849/11. Der verurteilte Strafverteidiger (später wurde das Strafverfahren eingestellt) hatte nicht einmal behauptet, daß der Richter den Antrag (es ging um eine Hausdurchsuchung) nicht richtig gelesen hätte, sondern in einem Befangenheitsantrag nur geäußert: “Eine eigenstände Prüfung des Richters hat offensichtlich nicht einmal ansatzweise stattgefunden.”
Die hinter einer solchen Verurteilung steckende Argumentation: Prüft ein Richter einen Antrag nicht eigenverantwortlich, sondern winkt ihn nur durch, dann begeht er eine “massive Dienstpflichtverletzung” (AG Würzburg), möglicherweise eine Straftat (§ 339 StGB). Deshalb sei eine entsprechende Behauptung (wenn sie sich nach Beweisaufnahme als falsch herausstellt) herabwürdigend und ihrerseits eine Straftat nach § 186 StGB.
Aber es fällt schwer, sich an den in dieser Logik steckenden Maulkorberlaß zu halten. Da war zum Beispiel neulich dieser Strafbefehl über 52,5 Jahre Fahrverbot. Die Staatsanwältin muß da wohl “beim Zahlenfeld auf der Tastatur aus Versehen auf mehrere Tasten gleichzeitig gekommen sein” (Erklärungsversuch der Staatsanwaltschaft). Aber welche Panne ist bei dem Richter passiert, daß er diesen Antrag unterschrieb? Wollte er nicht einmal – vielleicht aus Neugier – wissen, welche Strafe er gegen den Beschuldigten verhängt?
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