Verdacht auf Ärztepfusch: Immer mehr Menschen suchen Hilfe beim Anwalt, aber der Weg zum Gericht ist riskant und oft aussichtslos, 09.04.2008

Verdacht auf Ärztepfusch: Immer mehr Menschen suchen Hilfe beim Anwalt, aber der Weg zum Gericht ist riskant und oft aussichtslos

Frankfurt/Main (dpa) – 150 000 Euro hat Horst-Josef Ölschläger* bereits für Anwälte, Gutachter und Gerichtskosten ausgegeben. Seit 14 Jahren kämpft er um eine Rente für seinen schwerbehinderten Sohn.
Der 60-Jährige ist überzeugt, dass Frank* Opfer eines ärztlichen Behandlungsfehlers wurde. In seiner Version der Geschichte machten die Ärzte in der Intensivstation einer süddeutschen Klinik einen fatalen Fehler: Sie setzten den Beatmungsschlauch des kranken Kindes in die Speise- statt in die Luftröhre.
Die Atmung setzte aus, das Herz blieb stehen, das Gehirn wurde schwer geschädigt. Auch mit 14 Jahren kann der schwerst körperlich und geistig behinderte Frank nicht sprechen, er muss gewickelt werden und leidet an Epilepsie mit schweren Sturzanfällen.

Die Version der Gegenseite klingt anders. Einen «schicksalhaften Verlauf» attestierten diverse Gutachter dem verantwortlichen Arzt und sorgten so dafür, dass Ölschlägers Strafanzeige und Zivilklagen allesamt eingestellt und abgewiesen wurden.
Er geriet an Anwälte, die bezeichnet er heute als «Mittäter», er hatte mit Medizinern zu tun, denen er «Seilschaften» unterstellt, und erlebte Verhandlungen, die ihm vorkamen wie eine «Vorverurteilung». Seine ernüchternde Bilanz nach 14 Jahren: «Ich kämpfe gegen Windmühlen.»…

Dabei sind Behandlungsfehler «sehr schwer zu beweisen», betont Patientenvertreter Candidus. «Und wenn, dann dauert es Jahre.» Am Ende sähen nur die wenigsten Geld. Die Gesellschaft warnt davor, sich bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler allzuschnell an einen Anwalt zu wenden, denn unzufriedene Patienten seien für Juristen oft nur
«eine lukrative Einnahmequelle».
Anwälte neigten dazu, den Schaden zu hoch anzusetzen, «weil sie damit ja auch ihr Honorar festlegen». Dass dennoch so viele den Rechtsweg beschreiten, hält Candidus für eine Art psychologisches Ausweichmanöver: Manchmal sei es eben leichter, dem Arzt die Schuld zu geben als der Krankheit. …

Gegen den Vorwurf von Abzocke und Geldschneiderei möchte Bürgle nicht alle Kollegen in Schutz nehmen. Es gebe durchaus Wald- und Wiesenjuristen, die ihr Geld sonst mit Mietrecht oder Strafverteidigung verdienten, des hohen Streitwerts wegen aber mit Freuden Arzthaftungsfälle annähmen – egal wie wenig sie von der Materie verstehen und wie sinnlos die Klage auch ist. «Das ist zum Teil ganz übel. Die versprechen den Leuten das Blaue vom Himmel», schimpft Bürgle.

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