Öffentliche Äußerungen von Richtern zu laufenden Verfahren sind besonders problematisch, insbesondere, wenn der Richter selbst später mit dem Verfahren dienstlich befasst werden kann. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach der abstrakt-generellen Möglichkeit, nicht nach aktuell gegebenen Zuständigkeiten. Kein Richter weiß schließlich, ob ihn das Präsidium des Gerichts, dem er angehört, nicht später in einen anderen Spruchkörper versetzt oder ihm (im Fall des “Doppelvorsitzes”) gar einen zusätzlichen Spruchkörper zuweist (zweifelhaft daher ZON 5.1.2016).
Die Kritik an der Berichterstattung über laufende Straf- und Ermittlungsverfahren ist nicht unbedenklich, wenn sie Aussagen über die Prozessbeteiligten selbst enthält: “Frau Zschäpe hat ein etwas teigiges Mondgesicht, das erkennbar auf der Suche nach Peeling und Entspannung ist, sowie eine grauenhafte Frisur aus dem Bilderbuch des sachsen-anhaltinischen Weltniveaus.” Was soll eine Angeklagte von einem Bundesrichter denken, der sie während eines laufenden Strafverfahrens so in der Öffentlichkeit darstellt und – möglicherweise – einmal für ihren Fall zuständig werden kann?
Erstaunt waren bestimmt auch diejenigen Staatsanwälte und Richter, die für die Durchsuchung bei dem Bundestagsabgeordneten Edathy zuständig waren. “Bitte entschuldigen Sie, Herr Edathy“, meldet sich hierzu während des laufenden Ermittlungsverfahrens öffentlich ein Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof zu Wort und empfiehlt in einer großen Wochenzeitung, der Rechtsstaat möge sich bei dem Betroffenen ausdrücklich für dieses Vorgehen entschuldigen. Die anschließende Verfassungsbeschwerde von Herrn Edathy wurde übrigens verworfen, weil aus Sicht des Bundesverfassungsgericht am Vorgehen der Ermittlungsbehörden nichts auszusetzen war (BVerfG v. 15.08.2014, Az. 2 BvR 969/14).
…Dass sich ein Richter bei öffentlichen Auftritten auch in der Wortwahl zurückhalten sollte, ist dem Mäßigungsgebot immanent. Es gilt nicht nur für Inhalte, sondern auch für die Art und Weise, wie diese geäußert werden. Hier ein paar Beispiele:
- Spott über einen Zeitungsbeitrag, in dem das Wort “pimmeln” vorkommt: “Seit dem… wird in der Zeitung für Deutschland zurückgepimmelt!… Und so kommt es, dass die Stimmen übermächtig werden: ‘Bimmeln, Himmeln, Schimmeln, Wimmeln, Pimmeln!'” – Will man so etwas wirklich in der “Rechtskolumne” eines Vorsitzenden Bundesrichters lesen?
- Wer den Bundestagsabgeordneten Edathy wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften verfolgt wissen wolle, möge doch “…vorerst einmal die eigenen Wichsvorlagen zur Begutachtung an die Presse übersenden.”
- Über die Beschuldigte in einem laufenden Strafverfahren: “Das… Nettoeinkommen dieser Beschuldigten müsste demnach bei etwa 400 Euro pro Tag … liegen, was plausibel ist, denn als Mensch mit dem Beruf ‘Vorzeigen-von-dicken-Silikonbrüsten’ sollte man schon deutlich mehr verdienen als der Präsident eines obersten Bundesgerichts.”
Herabwürdigung von Kritikern und Vertretern abweichender Auffassungen
Von einem Richter erwartet man unvoreingenommene Entscheidungen, die möglichst wenig von Emotionen beeinflusst sind. Deshalb sollte sich ein Richter bei öffentlichen Äußerungen gerade auch dann zurückhaltend äußern, wenn er das Verhalten anderer kritisch kommentiert (besonders bei Kritik an staatlichen Institutionen oder Repräsentanten). Agiert ein Richter unmäßig beleidigt auf Kritik seiner Person oder Ansichten, dürfte bei Verfahrensbeteiligten leicht die Besorgnis aufkommen, dass auch sie bei abweichenden Auffassungen nicht mit einer ausgewogenen Behandlung rechnen dürfen. Hierzu folgende Beispiele:
- Über den kritischen Artikel einer Journalistin: “…erweist sich schon im Ansatz als wirre Desinformation. Die Autorin scheint das selbst zu ahnen… Die Autorin hat vom Thema ihres Beitrags ersichtlich so gut wie nichts verstanden… Ist das noch Unvermögen oder schon ‘Lüge’?… Was für ein Unsinn!”
- Über die Äußerung einer Bundestagsabgeordneten in einer Bundestagsdebatte zur Reform des Sexualstrafrechts: “Das ist, liebe Leser: Hegel, Marx, Mead, Honecker, Oktoberfest und Nach-vorne-Ficken in einem…”
- Über den Beitrag einer Autorin im Zusammenhang mit der Diskussion um die Reform des Sexualstrafrechts: “Das ist die Karikatur von seriösem Journalismus. Es ist das Betätigen einer polemisch-suggestiven Verdrehungsmaschine… und der glatte Missbrauch von journalistischer Macht… Woraus sich das der Journalistin mit solcher Evidenz erschließt, dass die primitivsten Regeln ihres Berufs und die simpelsten Einsichten des Verstands bei ihr nicht mehr wirken, ist unbekannt. Ich fürchte: irgendwie aus den Hormonen… Man mag das kaum ‘Journalismus’ nennen. Es sollte heißen, was es ist: Hetze.”
- Über den Beitrag einer Autorin im Zusammenhang mit der Reform des Sexualstrafrechts, in dem es um den Vergleich des Schutzes von Sachen mit dem Schutz des eigenen Körpers geht: “Wir wollen jetzt hier nicht darüber streiten, ob das dummes Zeug ist und ob eine Person, die ihre Vagina mit ihrem Geldbeutel gleichsetzt, vielleicht nicht mehr alle Tassen im Schrank hat…”
- Über Äußerungen des Bundesministers für Justiz: “An diesem Satz ist alles falsch und unverständlich… Anmerkung: irreführend… All das ist unverständlich.”
….Gerade Richter sollten hingegen Vorbild beim Einhalten gesetzlicher Regeln (§ 39 DRiG) sein, auch wenn diese ihre persönliche Entfaltung im Interesse gemeinschaftlicher Belange eingrenzen.