Bayerns letzter Henker. Die großen Blutrichter wurden belohnt, der Henker lebte in Armut, die Kleinen wurden verurteilt und maschinell geköpft, 18.08.2019

Todesstrafe:Bayerns letzter Henker, Sueddeutsche Zeitung, 18.08.2019

…Der einstige Spartakist und Haupterwerbshenker wechselte behände die Disziplin und versuchte nebenher, Leser für ein von Pfarrershand verfasstes Werk namens “Von Mädchenglück und Frauenliebe” zu begeistern. Auch das indes war von kurzer Dauer. Als sein Erstleben aufflog – ein Henker, der sich nun berufen fühlt, Moralinsaures unters Volk zu bringen – war es mit der sittlichen Zweitkarriere zu Ende.

Sein Absturz? Nur für kurze Zeit: Unter der Nazi-Herrschaft blühte nun wieder das Handwerk des erwerbsmäßigen Tötens auf. Bis 1945 hat Reichhart mehr als 3000 Delinquenten hingerichtet, zuletzt als viel beschäftigter Henker der Nazis. 1937 war Reichhart der NSDAP beigetreten.

Und dann also, Mai 1945, saß er selbst in Stadelheim ein. Tatsächlich aber blieb Reichhart nicht lange dort, denn auch nach dem Krieg war sein Handwerk begehrt. Schon im November 1945 war Reichhart “wieder im Dienst”, wie der Historiker und Publizist Roland Ernst notiert. In seinem Buch “Der Vollstrecker. Johann Reichhart, Bayerns letzter Henker” (Allitera Verlag, München 2019) beschreibt Ernst, wie Reichhart das Handwerk, in das ihn einst sein Onkel Franz Xaver Reichhart eingeführt hatte, nun im Auftrag der Alliierten weiterführte.

…Damit nicht genug. Tatsächlich wurde im April 1946 ein offizieller Vertrag aufgesetzt. Die Vollzugsanstalt trifft mit Genehmigung der Militärregierung allerlei Vereinbarungen mit Reichhart. So wird er verpflichtet, “auf Verlangen der Justizbehörden innerhalb des ganzen Gebietes des bayerischen Staates die Todesstrafe durch Enthaupten oder durch Erhängen” zu vollziehen. Er müsse “jederzeit zur Dienstleistung” zur Verfügung stehen. Entferne er sich länger als 24 Stunden von seinem Wohnort, so müsse er dies sofort anzeigen.

… In insgesamt 156 Fällen wurde Johann Reichhart zu Exekutionen nach Landsberg beordert. Durch seine Hand hingerichtet wurden dort NS-Ärzte, KZ-Blockführer und Nazi-Kommandanten von Vernichtungslagern. Reichhart trug dabei stets, wie vertraglich vereinbart, Anzug und Fliege. Ausgerechnet der Henker von Sophie und Hans Scholl als ein ausgewählter Exekutor der US-Amerikaner? “Naiv, geschmacklos und zynisch”, sagt Autor Roland Ernst im SZ-Gespräch, müsse das auf heutige Betrachter wirken. Zumal Reichhart dann sogar im Umfeld der Nürnberger Prozess eine Rolle gespielt habe. Dort beaufsichtigte er den Bau des Galgens. …

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Man wollte die Guillotine auch zukünftig weiterbenutzen.

„Ich tät’s nie wieder“, Scharfrichter Reichart ist gegen die Todesstrafe, zeitonline, 30.10.1964
…Den Adenauer kann ich nicht begreifen. Ich tät’s nie wieder.“ Mit diesen Worten reagiert der letzte aus dem Geschlecht der bayerischen Scharfrichter auf die Forderung des Altbundeskanzlers nach Wiedereinführung der Todesstrafe.

Streit um NS-Fundstück, Gehört eine Nazi-Guillotine ins Museum?, zeitonline, 06.02.2014
„Es lebe die Freiheit“, sagte Hans Scholl Minuten vor seiner Hinrichtung durch die Nazis. 25 Jahre war er alt, Medizinstudent, zum Tode verurteilt vom Volksgerichtshof.

Jahre forderten prominente Vertreter der CSU die Wiedereinführung der Todesstrafe für politische Taten. Der Vizepräsident des Bundestages Jaeger (CSU) verlangte dies bereits 1957 (Frau und Politik, Bonn, 15. Dezember 1957), und kein geringerer als der seinerzeitige Justizminister Schärfer (CSU) wollte die Todesstrafe für „Landesverrat“ 1958 einführen. (Neue Ruhr-Zeitung, Essen, 14. Juni 1958).

Seine Auftraggeber wurden belohnt:
EIN HOCH AUF ROLAND FREISLER (Der in der bayerischen Justiz auch weiterhin Karriere gemacht hätte)
Es bleibt dabei: Die Kleinen werden gehängt. Doch für die Großen gibt es eine Neuerung: Man läßt sie nicht mehr einfach laufen.
Nein, man geleitet sie neuerdings mit Musik zum Ausgang und verabschiedet sich unter Entschuldigungen und auf Kosten der Staatskasse von ihnen.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45876585.html; http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13512519.html

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